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Gedenkveranstaltung zu Ehren von Karl Zink am 24.4.2018

Verehrte Anwesende, liebe Freundinnen und Freunde, liebe Genossinnen und Genossen,
es ist eine Tradition Ilmenauer Bürgerinnen und Bürger, an diesem Tag, den 24. April hier zu gedenken, zu gedenken eines mutigen, jungen Mannes eines Ilmenauers, der gerade einmal 30 Jahre alt,  hingerichtet wurde in den schlimmen braunen Jahren. Ein junger Mann, Kommunist, der sich mit wenigen Gleichgesinnten gegen die Hetze, Gewalt und Menschenverachtung der deutschen Faschisten stemmte. Wenig wissen wir über sein Leben, nur dürr sind die Fakten, seit seinem 7. Lebensjahr wohnte die Familie in Ilmenau. Mutmaßen können wir nur was ihn trieb, welche Träume und Wünsche sein Handeln bestimmten. Sicher waren sie nicht so verschieden zu dem was junge Menschen überall  ersehnen, ein friedliches, freudvolles Leben,  eine eigene Familie, das  bisschen Kleineleuteglück eben. Aber er stellte sie hintenan. Niemand hatte ihm befohlen den Verführungen der Machthaber zu widerstehen, ja mehr noch den illegalen Kampf aufzunehmen in einer Zeit da andere den Kopf senkten, das Rückgrat beugten.

Nein ich will da keinen Stein werfen, keiner von uns kann für sich die Hand ins Feuer legen. Doch es macht diesen Karl Zink so besonders. Er folgte seinem Gewissen, sah nicht das Licht am Ende des Tunnels, wie man so sagt, er wusste nicht wann die dunkle Zeit vorbei sein würde, er wusste nur eines, dass er etwas tun musste, sie zu ihrem Ende zu führen. Dieses Wissen darum, fand 1950 in den Satz von Erich Kästner: Es gibt nichts gutes, außer man tut es, seinen Ausdruck, dieses Wissen ist sein Vermächtnis. Dies sollten wir annehmen. Der junge Kommunist Karl Zink war kein Führer einer bewaffneten Gruppe, die sich auf Kämpfe vorbereitete, er war kein Dreh- und Angelpunkt konspirativer Handlungen, geringes tat er, kleine, unscheinbare Zettel weiterreichen, Nachrichten formulieren, leis gegen die Hitlerschergen sprechen, Nadelstiche gleichsam, aber groß in Anbetracht der beifälligen Gleichgültigkeit, die viele Menschen seiner Heimatstadt befallen hatte. Wenn man weiß um die Größe der Macht die entgegensteht, wenn man die eigene Kleinheit erlebt und trotzdem in den schier aussichtslosen Kampf zieht, dann gelingt dies nur mit dem  festen Glauben an eine Idee. Diese war für ihn der Kommunismus, der Gedanke, dass es möglich sein sollte, Glück für alle zu produzieren. Oft geschmäht wurde diese Idee, und nicht immer zu unrecht. Aber wenn sie Menschen dazu gebracht hat, so zu handeln wie es Karl Zink tat, dann hat sie ihren Platz in der Geschichte behauptet, dann gilt es sie zu würdigen, gerade heute, wenn emsig an der Umdeutung gearbeitet wird. Und bitte versteht es nicht falsch, jeder der gegen den Faschismus aufstand, egal aus welcher Weltsicht er kam, hat verdient geehrt zu werden.
Du gabst dein Leben, ist auf dem Stein zu lesen, auf nicht wenige trifft dies zu in jener Zeit, aber Millionen gaben es nicht, es  wurde ihnen entrissen, brutal, gnadenlos, in den Lagern in den brennenden Dörfern und Städten, auf den Schlachtfeldern. Blind wütete der Krieg, nicht Täter von Opfern trennend. Und als die Stille des Friedens über den Ländern lag, gab es nur ein Versprechen, nie wieder solle dies geschehen.
„Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln“, schworen die Überlebenden in Buchenwald, „ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“ Es war nicht von Parteien geprägt, dieses Versprechen, keine Ideologien und -ismen drängten an seinem Wochenbett, Sozialdemokraten, Kommunisten, Christen, Juden, alle, alle standen Schulter an Schulter. Es war ein aufatmen in der Welt, wenn auch noch der faule Gestank in der Luft lag.  
Er verflog nicht, wie erhofft, er reichert sich an, es beginnt wieder zu stinken nach Menschenhass und Gewalt nach Lager und Krematorium.  Wie erschüttert wären die Überlebenden von Buchenwald und den anderen KZs, würden sie erleben, wie schnell manche die Greul vergaßen, wie sie nur weniger als ein Menschenleben brauchte, diese Schlange, um aus dem Dreck zu kriechen, in dem sie gestampft wurde.  So wie am Wochenende, so wie in Ostritz. Vom Bahnhof strömten sie, mehr als tausend Neonazis in braun-schwarzer, beschmutzter Kluft, laut, frech, manche Hand zeigte den verfluchten Gruß.
Wie gut, wenn es Menschen gibt, die wie es Karl getan, widerstehen. In Ostritz waren es 4500, sie fanden zusammen, unabhängig von politischen Überzeugungen.
Wie schlecht, dass rechte Radikale neue Kraft schöpfen können, dass leichtgläubige Bürgerinnen und Bürger, sich besorgt nennend, ihnen zufließen. Waren einst die Juden, so sind heute Muslime, Flüchtlinge, Heimatlose die Ziele ihrer Angriffe. Sind wir verflucht, könnte man fragen, alles und alles wieder zu erleben. Man hört sie faseln, die Besorgten, Migranten seien eine andere Rasse,  minderwertiger, gleichsam. Es sind die gleichen Worte, die schon einmal eingeflüstert wurden. Umso wichtiger ist unser Engagement im Sinne des Buchenwaldschwurs. Die Toden und die Überlebenden mahnen uns nicht nur zum Gedenken sondern zum Tun. Dies versammelte uns hier und heute. Lasst uns das antifaschistische Vermächtnis der Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer weiter tragen, um die Ohren nicht der Mahnung zu verschließen: „Fruchtbar noch ist der Schoß aus dem das kroch“
Lasst uns fragen warum der Mensch dem Mensch nicht Bruder oder Schwester sein kann, warum er seinen Nächsten verächtlich macht, hasst und schlägt. Und lasst uns erkennen, dass Rassenhass, Judenhass, Hass auf Andersdenkende, -liebende und –glaubende,  ja die Abwertung anderer Lebensformen und –weisen nicht vom Himmel fallen sondern produziert werden in dem System, in welchem wir leben.
Deshalb ist es von Bedeutung mehr zu tun, als nur gegen Nazis zu sein. Antifaschismus heute heißt diese Gesellschaft menschlicher zu machen, Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen in der Politik und ihnen die Möglichkeit der Beteiligung einzuräumen. Er fordert die Bereitschaft demokratisch zu handeln und handeln zu lassen, die Vielfalt der Meinungen zu akzeptieren. Bloßes Konkurrenzdenken und die Übermacht der Ökonomie lässt Gegeneinander und Neid wachsen.
Karl Zink kämpfte im Kleinen.
Wenn jeder nur sein kleines tut,  damit diese Welt besser wird  wer will ausschließen, dass nicht etwas Großes für uns alle daraus wird?
Je weiter die Zeit rückt, in der etwas geschah, umso stärker wird der Kopf angesprochen und nicht mehr das Herz. Aber wie sagte doch Antoine de Saint-Exupéry?
 Wir sehen nur mit dem Herz gut. Deshalb lasst uns immer wieder des Opfermutes gedenken, öffnet immer wieder euer Herz.  Aus diesem Grund stehen wir hier und hier müssen auch noch in 30 Jahren Menschen stehen sich dieses Mannes mit ihren Herzen zu besinnen.

Karl-Heinz Mitzschke