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Tag der Befreiung vom Faschismus 2018

Ein volles, ganzes Menschenleben liegt der Grund zurück, warum wir uns hier versammeln.

Am 8. Mai 1945 kapitulierte die deutsche Wehrmacht, brach ein Schreckensregime zusammen, das unendliches Leid in die Welt brachte.

Ein volles, ganzes Menschenleben, ist verstrichen, wenige leben noch, die das Grauen des Krieges und der Barbarei erfahren haben,

ist es da nicht  an der Zeit fragen viele offen, diesen Tag ins Dunkel der Geschichte zu versenken? Es war aber, so muss man jenen entgegnen,

niemals eine Frage der Zeit. Denn schon kurz nach dem furchtbaren Krieg mühten sich viele diesen Tag vergessen zu machen.  Es waren Politiker,

die dabei in der ersten Reihe standen. So empfahl Franz Josef Strauß „die Büßerhemden“ endlich auszuziehen. „Ein Volk“, so soll er gewettert haben,

„das diese wirtschaftlichen Leistungen vollbracht hat, hat ein Recht darauf, von Auschwitz nichts mehr hören zu wollen.“

Er stand nicht allein in der

Front gegen diesen Tag: der CDU-Politiker Alfred Dregger teilte seinen Freunden mit, am 8. Mai 1945 habe er in Schlesien stramm gestanden und

das Land gegen den Bolschewismus „verteidigt“. Und der damalige CDU- Generalsekretär Heiner Geißler gab zu Protokoll, „die eigentliche Schande

unserer Zivilisation“ sei nicht Auschwitz, sondern die Sowjetunion. Und als ein Bundespräsident, Richard von Weizsäcker, endlich wagte zum Kern

des Tages vorzudringen, als er endlich wagte von der Befreiung zu sprechen, war nicht nur ein Aufschrei im Land, nein noch heute 33 Jahre nach

dieser Rede, traut sich der Thüringer Fraktionsvorsitzende der AfD Björn Höcke  zu sagen: „Richard von Weizsäcker war ein Könner des Wortes.

Aber es war eine Rede gegen das eigene Volk und nicht für das eigene Volk.“
Was ist das für ein Volk, das sich so äußert ist man geneigt zu sagen.
Wir dürfen nicht der Versuchung erliegen, zu vergessen, welche Schuld Deutsche auf ihren Schultern tragen, seit 1933 und vor allem seit dem Zweiten Weltkrieg.

Wieder und wieder würden wir damit  konfrontiert, denn die Nachfahren der Opfer erinnerten sich des Leides tagaus, tag ein. Viele Orte der Verbrechen von SS und

Wehrmacht haben sich in das Gedächtnis der Völker eingebrannt. Fast 900 Tage wurde Leningrad belagert, fast 900 Tage hungerten die Menschen, mehr

als 800 000 von ihnen kostete dies das Leben. Der Tod von über der Hälfte der insgesamt 5,7 Millionen sowjetischen Kriegsgefangenen wurde billigend

in Kauf genommen, der Vernichtung des jüdischen Ghettos in Warschau nach dem Aufstand vom Frühjahr 1943 und der systematische Zerstörung der

polnischen Hauptstadt nach dem zweiten Warschauer Aufstand im Oktober 1944 wird ewig gedacht werden. Viele Ortsnamen in europäischen Ländern

sind mit furchtbaren Massakern verbunden. . Es gibt keine moralische Rechtfertigung dafür, die Erinnerung an solche Untaten in Deutschland nicht wachzuhalten.
Es macht mich traurig, wenn ich sehe, wie viele am Volkstrauertag an einem andern Gräberfeld stehen, der Toten zu gedenken. Ich stehe dort, auch

wenn mir der Grund, warum mancher dort steht fremd ist, ich stehe dort, der kleinen Leute zu gedenken. Denn sie waren es, die im Schützengraben

verreckten, es waren die Insassen der Konzentrationslager und der Gestapo-Gefängnisse, es waren Juden, Kommunisten, Sozialdemokraten,

Kriegsgefangene und aufrechte Bürgerinnen und Bürger, die Opfer der Gewaltherrschaft wurde, und es waren nicht zuletzt die Soldaten der

alliierten Staaten, voran die der Roten Armee, die ihr Leben lassen mussten.
Schön für den 8. Mai fänden sich hier mehr Menschen zusammen.
Dankbarkeit und die Deutung des Geschehens kann niemand befehlen, kann niemand erzwingen. Aber es könnten Beispiele gegeben werden,

so wie sich die Ilmenauer im Januar versammeln, der Opfer des Faschismus zu gedenken, so wie sie sich sammeln am Volkstrauertag, so sollte

auch dieser 8. Mai, der Tag der Befreiung mehr in das Bewusstsein der Ilmenauerinnen und Ilmenauer finden.
Dass sich  dieser Tag für viele Deutsche nie als Feiertag eignete, wie in vielen der befreiten Länder, mag man verstehen. Zu belastend 

das Bewusstsein der millionenfachen Morde in deutschem Namen, zu drückend ist die Erinnerung an gefallene Väter, an Mütter und

Großmütter, die unter den Bomben starben.
Zudem ist diesem Tag  doppelte Last auferlegt. Die des Schmerzes der Betroffenen und die der Ideologien. Dies vermag er nicht zu tragen!

Es ist kein Tag der Buchhalter, es ist kein Tag an dem Haben und Soll verrechnet werden, es ist ein Tag des Gefühls, des Mitgefühls.

Ich sagte es schon einmal an dieser Stelle, Tränen von Müttern über ihre verlorenen Kinder lassen sich nicht aufwiegen, sie sind immer bitter,

egal ob sie von jüdischen, amerikanischen, französischen, britischen oder russischen vergossen werden. Und weil das so ist, hat Deutschland

die Verantwortung übernommen und bekennt sich zum Existenzrecht des Staates Israel, pflegt die Freundschaft mit den amerikanischem Volk,

den Franzosen, den Briten. Das ist gut. Ungut ist, dass wieder einige schnell mit der Schaufel bei der Hand sind, Gräben zwischen Deutschen

und Russen zu furchen. Und diese Gräben werden auch in der Gesellschaft ausgehoben.
Wichtig, sich an diesem Tag zu erinnern, sich zu erinnern, was ihn möglich machte- Millionen Deutscher jubelten einem Diktator zu,

steigerten sich in Nationalismus und Chauvinismus hinein, machten es den Faschisten leicht, sich mit demokratischen Mitteln der Macht zu

erwerben. Weitverbreiteter Antisemitismus schuf die Grundlage der Shoha. Diese Kräfte sind nicht verschwunden, sie sind nicht wirklich besiegt.

Sie warten im Dunkel auf die Gunst der Stunde, ihrer Stunde. Und sie kann kommen, wenn unser soziales Leben Kopf steht, wenn Menschen

aus dem einen oder anderen Grunde nicht mehr bereit sind diese Gesellschaft zu verteidigen.
Schon sehen wir die Feindschaft gegenüber Fremden, die Angst etwas zu verlieren, das keiner begehrt, wir sehen antisemitische Hetze und

Gewalt hier und in anderen europäischen Ländern. Wir erleben, dass das Versprechen dieses 8. Mai 1945 und die Sehnsucht der Menschen

nach dem Frieden  nicht eingelöst wurden. Kriege werden wieder, wie selbstverständlich  zum Mittel der Politik.
Dieser Tag mahnt uns, zu jeder Zeit die eigentliche Lehre der deutschen Geschichte der Jahre 1933 bis 1945 zu beherzigen die Verpflichtung,

unter allen Umständen die Unantastbarkeit der Würde jedes einzelnen Menschen zu achten.

Karl-Heinz Mitzschke