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Vor 20 Jahren – ein Gesprächsabend mit Jupp Angenforth

Dass der (leider nicht mehr bestehende) Klub der Volkssolidarität in der Hanns-Eisler-Straße 17 am 23. September 1996 nahezu bis auf den letzten Platz besetzt war, musste niemanden verwundern: Mit Josef (genannt Jupp) Angenfort (09.01.1924 – 13.03.2010) hatte der Stadtvorstand der damaligen PDS einen prominenten Gast eingeladen, dessen Schicksal vielen noch gut in Erinnerung war, stand es doch beispielhaft für die politische Atmosphäre in der Bundesrepublik der 1950er und 1960er Jahre. Die Bitterkeit war seinen Worten anzumerken, dennoch blieb er stets sachlich, ließ sich nie zu Wut- und Hassausbrüchen hinreißen. In der Kriegsgefangenschaft hatten, wie er berichtete, zahlreiche Gespräche mit deutschen Antifaschisten und sowjetischen Soldaten den Beginn eines Prozesses „der Erkenntnis“ bewirkt, worauf er sich dem Nationalkomitee Freies Deutschland (NKFD) anschloss.

Nach der Rückkehr in seine Heimatstadt Düsseldorf wurde er Mitglied und sodann Leiter des dort ansässigen Zentralbüros der am 9. Dezember 1945 von den Antifaschisten Uschi und Max Rubinstein gegründeten FDJ in der späteren BRD sowie 1951 für die KPD jüngster Abgeordneter des nordrhein-westfälischen Landtages. Am 24. April 1951 verbot die Regierung Adenauer die von prominenten kirchlichen Persönlichkeiten wie Pastor Martin Niemöller, Pfarrer Herbert Mochalski und Pastor Johannes Oberhof, vielen Mitgliedern der SPD und des DGB sowie von KPD und FDJ mitgetragene Volksbefragung gegen Remilitarisierung, der am 26. Juni das (allerdings erst 1954 für „dauernd rechtskräftig“ erklärte) Verbot des Jugendverbandes folgte. Unter bewusster Missachtung seiner Immunität als Landtagsabgeordneter wurde er 1953 durch die Sicherungsgruppe Bonn des Bundeskriminalamtes verhaftet, vor dem Bundesgerichtshof wegen „Hochverrats“ angeklagt und zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt. Es war nicht nur das erste politische Zuchthausurteil in der Geschichte der BRD, es handelte sich auch um das höchste Strafmaß, das in jener Zeit gegen einen Kommunisten verhängt wurde. Diese Tatsache führte selbst im Bundestag zu heftigen Auseinandersetzungen. So klagte mit Walter Menzel der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion die Politik der Regierung Adenauer an: „Vergleicht man dieses Urteil mit den milden Urteilen gegen Kopfjäger aus den hitlerschen KZs, gegen viehische Mörder, die nachträglich noch begnadigt werden, dann ist man empört darüber, dass Menschen vor dem Richterstuhl so behandelt werden. Wir sind in Westdeutschland wieder soweit, dass alle Gegner des Bundeskanzlers als Bolschewisten oder des Hochverrats angeklagt werden.“ Die 1957 durch Bundespräsident Theodor Heuss (FDP) ausgesprochene Begnadigung wurde durch dessen Nachfolger Heinrich Lübke (CDU) aufgehoben, weshalb 1962 die erneute Verhaftung erfolgte. Als ihm während eines Gefangenentransports die Flucht gelang, tauchte er zunächst unter und emigrierte dann in die DDR. Nach Konstituierung der DKP reiste er mehrfach zu deren Parteiveranstaltungen in die BRD, wurde im März 1969 ein drittes Mal verhaftet, auf Grund heftiger Proteste gegen das Vorgehen der dortigen Strafverfolgungsbehörden am 25. April schließlich wieder auf freien Fuß gesetzt. Nach seiner endgültigen Rückkehr war er Mitglied des Präsidiums der DKP, nordrhein-westfälischer Landesvorsitzender der VVN-BdA bzw. Landessprecher und Mitglied des Bundesausschusses. Sein letzter Wunsch „Wenn doch endlich einer käme und sagte, Junge, wir haben Dir Unrecht getan.“ ging bis heute nicht in Erfüllung. Bleibt noch hinzuzufügen, dass der im angrenzenden Wohngebiet verteilten Einladung auch ein Mann gefolgt war, der sich in der BRD als „Opfer der DDR“ feiern lässt. Wer auf seine Reaktion gespannt war, wurde enttäuscht, verzog er doch während des Vortrages von Jupp Angenforth keine Miene. Ja, eher wirkte er gelangweilt und das einzige, was er in der Diskussion zu sagen hatte, waren wortreich vorgetragene Zweifel an der, wie er sich ausdrückte, „Demokratiefähigkeit der PDS“. Auch hier blieb Jupp Angenforth ruhig, sachlich und überzeugend, weshalb es jener Demokratiefähigkeits-Zweifler vorzog, sich bis zum Ende der Veranstaltung in Schweigen zu hüllen.


Die Schicksale dieser und anderer Persönlichkeiten sind übrigens auch im INTERNET-Lexikon WIKIPEDIA nachzulesen.

Bild: Mit herzlichen Worten des Dankes für Jupp Angenforth verabschiedete die damalige PDS-Stadtvorsitzende Sonja Große den prominenten Gast des Gesprächsabends.

H.-J. Weise