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Nelson Mandela oder Ilmenauer Schwierigkeiten mit der Wahrheit
Natürlich ist es löblich, dass Nelson Mandela nun endlich wieder verdienter Ehrung teilhaftig werden soll, doch scheint das derzeitige Handeln eher dem Grundsatz „Wasch' mir den Pelz und mach' mich nicht nass!“ zu folgen: So wird nämlich elegant der kritischen Auseinandersetzung mit dem damals zu neuerlicher Herrschaft gebrachtem alten Zeitgeist aus dem Wege gegangen. Die Schändung des verpflichtenden Namens „Nelson Mandela“ war keineswegs nur Übereifer oder Versehen geschuldet, sondern schneller Anpassung an den in der BRD quasi zu einer Art Staatsreligion erhobenen Antikommunismus. Den aber hatte schon der bürgerliche Humanist Thomas Mann als „die Grundtorheit unserer Epoche“ gegeißelt gehabt. Ebenso elegant wird die Auseinandersetzung mit der völlig unterschiedlichen Haltung beider deutscher Staaten zum südafrikanischen Apartheid-System vermieden: Während die DDR mit der Anti-Apartheid-Bewegung und dem ANC als deren wichtigster Kraft solidarisch war, unterhie lt die BRD nicht nur enge politische, wirtschaftliche und auch militärische Beziehungen zur jeweiligen Apartheid-Regierung, sondern verweigerte sich ebenso jedem Boykott. Selbst Willy Brandt gab sich mit Erklärungen wie der „daß man Handel und Politik nicht ohne Not koppeln soll“ alle Mühe, die massive Kritik in der eigenen Partei kleinzuhalten und Franz Josef Strauß zählte gar zu den Befürwortern der Apartheid. Das alles sind nun freilich keine Neuigkeiten, sondern längst bekannte und auch beim Internet-Lexikon WIKIPEDIA nachlesbare Tatsachen. Über die aber kann man nicht einfach hinweggehen. Natürlich kann man die Bahnhofsbrücke nach Nelson Mandela benennen, man kann mit einer Tafel an sein Wirken erinnern und ein Porträtbild auf dieser wäre durchaus angebracht. Die ehrlichste Lösung allerdings wäre, der Schule den Namen zurückzugeben und dessen damalige Tilgung als schweren Fehler anzuerkennen. Heinrich Hertz verbliebe in solchem Falle immer noch doppelte Ehrung, trägt doch nicht nur die Straße, sondern auch die zur Schule gehörende Sporthalle seinen Namen.
H.-J. Weise