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Hugo Brünnert – er wird uns fehlen

Wenn ein Mensch nach 85 reich an Arbeit, Wissen und Erfahrung gewesenen Lebensjahren, guter und erfolgreicher wie auch weniger guter oder gar leidvoller, von uns geht, ist das – nüchtern betrachtet – nicht ungewöhnlich. Und dennoch ist es ein schwerer Verlust – für seine Familie ebenso wie für alle, die ihn gut kannten und schätzten, und nicht zuletzt für die Partei DIE LINKE. Mit Hugo Brünnert verlieren wir einen Genossen, der zu denen gehörte, die in schwerer Zeit nicht verzagten, nicht die Flinte ins Korn warfen, nicht davonliefen, sondern kritisch nachdachten über Fehler, Fehlleistungen und Versäumnisse. Er gehörte zu jenem im Vergleich zur bisherigen, nach Millionen von Mitgliedern zählenden Partei leider nicht sehr groß gewesenen „Fähnlein der sieben Aufrechten“, die allem Hass und allen Anfeindungen zum Trotz einen Neuanfang wagten. Wenn heutige selbsternannte „Bürgerbewegte“ in ihrem blindwütigen Antikommunismus gegen DIE LINKE und ihre Vergangenheit wettern, obwohl die SED zwar die wichtigste, aber eben auch nur eine ihrer Vorgängerparteien ist, dann meinen sie nicht die damals Davon- oder gar zu Grünen, SPD, FDP und CDU Übergelaufenen.

Dann meinen sie Genossen wie eben Hugo Brünnert, die damals allen Mut zusammennahmen und begannen, auf den Trümmern der SED mit der PDS eine neue, demokratisch-sozialistische Partei aufzubauen. Er wusste, warum er es auf sich nahm, dabei mitzuwirken, hatte doch der am 5. Februar 1930 Geborene in seiner Kinder- und Jugendzeit nicht nur erlebt, was Kapitalismus schlechthin für die Besitzlosen bedeutete. Er musste ja in einer Zeit aufwachsen, in der diese Gesellschaft in ihrer im Wortsinne schlimmsten aller Erscheinungsformen auftrat: Sechs Tage vor seinem dritten Geburtstag war die Regierung Hitler und damit der Faschismus an die Macht gebracht worden. Wenn er auch als Kind kaum etwas von all dem verstand, so begriff er sechs Jahre später doch allmählich den tiefen Einschnitt, den der durch eben diesen Faschismus vom Zaune gebrochene Zweite Weltkrieg für seinen Heimatort bedeutete. Da waren nicht nur die sofort in Kraft gesetzte Rationierung von Lebensmitteln und viele andere Einschränkungen, da waren vor allem die in immer größerer Zahl erscheinenden Gefallenenanzeigen in der Zeitung. Als Fünfzehnjähriger hörte er an jenem verhängnisvollen 6. Februar 1945 das Brummen der Flugzeuge und das nervtötende Pfeifen der aus diesen auf Arnstadt herabsausenden anglo-amerikanischen Bomben, das Krachen der Einschläge und sah die lodernden Feuersbrünste. Hugo Brünnert erlebte die Einberufung auch seines Jahrgangs zum „Volkssturm“ als dem völlig sinnlosen letzten Aufgebot des Faschismus, der nochmals vielen Jugendlichen das Leben kostete.
So gehörte er zu denen, die mit dem 8. Mai nicht einfach nur aufatmeten, sondern aktiv dafür wirken wollten, dass es nie wieder Faschismus und Krieg geben konnte. Er wurde Mitglied der neugegründeten FDJ, später auch der SED, und er musste neuerlich erleben, dass westlich der Grenze seines Staates wieder Kräfte erstarkten, die aus der Katastrophe nur eine Lehre gezogen hatten – es „beim nächsten Mal besser zu machen“. Mit dem keineswegs nur der Überwachung und Kontrolle dienenden, sondern als paramilitärische Einheit aufgebauten und über mit Schnellfeuerkanonen ausgerüstete Schützenpanzerwagen verfügenden Bundesgrenzschutz hatte es 1951 angefangen. Der war nicht nur ausschließlich an den Grenzen zu DDR und ČSR stationiert und hatte alsbald die vierfache Stärke der von den drei Besatzungsmächten genehmigten, er war auch Kaderschmiede für die künftige Bundeswehr. Ein Jahr später unternahm die Regierung Adenauer mit dem Beitritt zur „Europäischen Verteidigungsgemeinschaft“ (EVG) den ersten Versuch, die BRD in einen Militärpakt hineinzubringen und damit über die Hintertür zu Bewaffnung und Streitkräften zu kommen. Die DDR antwortete mit der Bildung der Kasernierten Volkspolizei (KVP), in der Hugo Brünnert bis zur Gründung der Nationalen Volksarmee diente. Die folgenden Jahre sahen ihn als Offizier beim Schutz der Staatsgrenze, er erlebte hautnah die gefährliche Lage an dieser, waren doch politische und militärische Provokationen, bei denen Grenzsoldaten getötet oder verletzt wurden, nahezu alltäglich. Nach Beendigung seiner Dienstzeit wurde er Angehöriger der TH Ilmenau, war über Jahre stellvertretender Parteisekretär und bis zum bitteren Ende Mitarbeiter im Direktorat Kader und Qualifizierung. Es fiel ihm keineswegs leicht, sich vom das Befehlen gewohnten Offizier auf das Zivilleben prägende völlig andere Arbeitsmethoden umzustellen, doch mit Fleiß und Disziplin gelang ihm das allmählich. Die neue Tätigkeit hieß für ihn auch, sich weiterzubilden und so erwarb er mit über 40 den Abschluss als Diplom-Ingenieur-Ökonom. Hugo war stets geradlinig und direkt, kam ohne Umschweife zur Sache, was ihm freilich nicht nur Freunde einbrachte. Als dann 1990 ein kleiner Kreis im damaligen Wohnbezirk XIII begann, aus der zerfallenden Wohnparteiorganisation der SED in zäher Kleinarbeit die Basisorganisation XIII, später BO III (heute Teil der BO Stollen), aufzubauen, gehörte er zu den Aktivsten, war dem Vorstand stets ein so wichtiger wie verlässlicher Ratgeber. Unvergessen sind die Jahre, in denen er im Sommer seinen Garten zur Verfügung stellte, wo in lockerer Atmosphäre aktuelle politische Ereignisse und die kommenden Aufgaben für die BO diskutiert wurden. Auch als ihn eine heimtückische Krankheit befiel, war er aktiv, so lange ihm das möglich war. Nachdem das nicht mehr ging, lud er gern ihm sehr nahestehende Genossen zum regen Gedankenaustausch zu sich ein. Jahrelang ertrug er mit Geduld und Zuversicht alle Behandlungen, führte einen zähen Kampf gegen die Krankheit und war doch ein klein wenig fassungslos über die für ihn wunderbare Tatsache, im Kreise seiner Familie seinen 85. Geburtstag erleben zu können. Er freute sich unbändig auf den Frühling und die Tage, die er dann wieder in seinem Garten verbringen konnte. Leider war die Krankheit am Ende doch stärker als er – am 22. April schloss Genosse Hugo Brünnert seine Augen für immer. Er wird uns allen sehr, sehr fehlen, doch wirklich tot ist ein Mensch erst dann, wenn er vergessen ist. Er gehört zu denen, die uns unvergessen bleiben werden.

H.-J. Weise

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