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Willi Ganka – er wird uns fehlen

Wenn ein Mensch nach 95 reich an Arbeit, Wissen und Erfahrung gewesenen Lebensjahren, guter und erfolgreicher wie auch weniger guter oder gar leidvoller, von uns geht, ist das – nüchtern betrachtet – nicht ungewöhnlich. Und dennoch ist es ein schwerer Verlust – für seine Familie ebenso wie für alle, die ihn gut kannten und schätzten, und nicht zuletzt für die Partei DIE LINKE. Mit Willi Ganka verlieren wir einen Genossen, der zu denen gehörte, die in schwerer Zeit nicht verzagten, nicht die Flinte ins Korn warfen, nicht davonliefen, sondern kritisch nachdachten über Fehler, Fehlleistungen und Versäumnisse. Er gehörte zu jenem im Vergleich zur bisherigen, nach Millionen von Mitgliedern zählenden Partei leider nicht sehr groß gewesenen „Fähnlein der sieben Aufrechten“, die allem Hass und allen Anfeindungen zum Trotz einen Neuanfang wagten. Wenn heutige selbsternannte „Bürgerbewegte“ in ihrem blindwütigen Antikommunismus gegen DIE LINKE und ihre Vergangenheit wettern, obwohl die SED zwar die wichtigste, aber eben auch nur eine ihrer Vorgängerparteien ist, dann meinen sie nicht die damals Davon- oder gar zu Grünen, SPD, FDP und CDU Übergelaufenen. Dann meinen sie Genossen wie eben Willi Ganka, die damals allen Mut zusammennahmen und begannen, auf den Trümmern der SED mit der PDS eine neue, demokratisch-sozialistische Partei aufzubauen.

Er wusste, warum er es auf sich nahm, dabei mitzuwirken, hatte doch der am 6. Juni 1920 im böhmischen Eger, tschechisch Cheb, Geborene in seiner Kinder- und Jugendzeit nicht nur erlebt, was Kapitalismus schlechthin für die Besitzlosen bedeutete. Er musste ja in einer Zeit aufwachsen, in der diese Gesellschaft in ihrer im Wortsinne schlimmsten aller Erscheinungsformen auftrat: Als er das Licht der Welt erblickte, wuchs er in Verhältnisse hinein, mit denen zurechtzukommen vielen Erwachsenen immer noch schwerfiel. Die österreichisch-ungarische Monarchie gab es nicht mehr, die ihr Auseinanderbrechen bewirkt habende Revolution hatte das Völkergefängnis nicht nur hinweggefegt, sondern mit der Tschechoslowakischen Republik (ČSR) einen neuen Staat entstehen lassen, in dem sich die deutsche Bevölkerung der böhmischen und mährisch-schlesischen Grenzgebiete nun plötzlich wiederfand, ohne an der Gründung beteiligt worden zu sein. So erlebte Willi in seiner Kinder- und Jugendzeit die zwiespältige Haltung vieler Menschen, die von Bereitschaft zur Mitarbeit bis zu totaler Ablehnung reichte. Er erkannte früh, dass die Lösung nationaler Probleme nicht ohne die der sozialen Frage möglich war. So wurde der gelernte Feinmechaniker als Siebzehnjähriger Mitglied der einzigen Partei, die die sich konsequent dem Kampf für soziale Gerechtigkeit widmete und in der nicht danach gefragt wurde, ob man tschechischer, deutscher, slowakischer, ungarischer oder ruthenischer Nationalität, ob jemand christlichen oder jüdischen Glaubens war. Gerade in Eger hatte die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei eine schwere Aufgabe, war die Stadt doch bald nach 1933 eine Hochburg des Faschismus geworden. Hier hatte die vom einstigen Turnlehrer Konrad Henlein gegründete und von der NSDAP ausgehaltene Sudetendeutsche Partei nicht nur ihre Zentrale, hier veranstaltete sie nicht nur ihre Versammlungen, sondern auch und vor allem gegen den tschechoslowakischen Staat gerichtete provokatorische Aufmärsche. Ab 21. Mai 1938 sorgte sie für blutige Unruhen, hatten doch bewaffnete Angriffe der SdP auf Polizeistationen und staatliche Verwaltungen Tote und Verletzte gefordert. Mittels beispielloser sozialer Demagogie und antitschechischer Hysterie hatte sie bei den ab 22. Mai stattgefunden habenden Gemeindewahlen rund 90 % der deutschen Bevölkerung hinter sich bringen können. Die Republik war in höchster Gefahr und Willi gehörte als Mitglied der KPTsch zu ihren konsequentesten Verteidigern. Alle Anstrengungen waren leider am Ende vergebens, beugte sich doch die bürgerliche Regierung dem Münchner Diktat, mit dem die Zerschlagung des Landes ihren Lauf nahm. Die nun einsetzende und nahezu sieben Jahre währende deutsch-faschistische Herrschaft bedeutete nicht nur die brutale Unterdrückung der tschechischen Bevölkerung sowie die gnadenlose Verfolgung von Kommunisten und jüdischen Mitbürgern, sie vergiftete auf lange Zeit das Verhältnis zwischen den Nationalitäten des Landes. Die schlimmste Folge war der Zwang zum Verlassen des Landes und der traf angesichts lang aufgestauter Wut und oftmals auch blindem Hass nicht nur einstige Nazis, sondern ebenso unbeteiligt Gewesene, Opfer des Faschismus und Widerstandskämpfer. Obwohl sie offiziell bleiben konnten, oftmals auch mit staatlichen Funktionen betraut wurden, geriet die eigene Heimat in solcher Atmosphäre mehr und mehr zur Fremde. So folgte Willi neben vielen anderen dem Ruf der gerade gegründeten SED und siedelte in die Sowjetische Besatzungszone über, wo Kämpfer gegen den Faschismus dringend gebraucht wurden, herrschte doch an wichtigen Aufgaben beim Wiederaufbau des zerstörten Landes kein Mangel. Willi sah bald, dass verantwortungsvolle Tätigkeiten viel mehr als nur achtklassige Volksschule erforderten, dass es folglich notwendig war, sich neues Wissen anzueignen, sich zu qualifizieren. Also setzte er sich wieder auf die Schulbank, studierte Rechtswissenschaften und wurde Diplom-Jurist. Die Volkseigenen Betriebe brauchten dringend fähige Wirtschaftsjuristen und so wurde er Justitiar, arbeitete als solcher lange Jahre im VEB Werk für Technisches Glas und dann bis zur Erreichung des Rentenalters im VEB Mikroelektronik „Friedrich Engels“ Ilmenau. Auch danach gab es für ihn keine Zeit zum Ausruhen, er blieb politisch aktiv, widmete sich der Arbeit in der Wohnparteiorganisation ebenso wie der Aufklärung über den Faschismus. Als die bislang führende Partei, vom hysterischen Antikommunismus der selbsternannten „Bürgerbewegten“ völlig überrascht, unter deren verbaler und teilweise auch tätlicher Gewalt auseinanderbrach, gehörte Willi zusammen mit seiner Frau Dora zu denen, die sich beim Aufbau der PDS engagierten. Nahezu 25 Jahre zählte er nicht nur in seiner Basisorganisation zu den Aktivsten, sondern wirkte ungeachtet seines hohen Alters unermüdlich in der Kommunistischen Plattform, deren Arbeit er mit seinen Ideen und Erfahrungen wichtige Impulse gab. Die Zeit der Unterwühlung seines Heimatlandes durch die Nazis und der anschließenden faschistischen Unterdrückung hatten ihn gelehrt, hart im Nehmen, aber auch im Austeilen zu sein. Willi hielt mit seiner Meinung nie hinter dem Berg, war nie ein bequemer Diskussionspartner, der anderen nach dem Munde redete, sondern verteidigte und erklärte geduldig einmal als richtig Erkanntes. Er war so zäh wie ausdauernd und solche Eigenschaften haben wohl auch dazu beigetragen, dass ihm ein Alter beschieden war, das nur eine kleine Zahl von Menschen erreicht. Nun hat sich sein Lebenskreis am 19. August 2015 geschlossen, sein Kämpferherz hat aufgehört zu schlagen. Er wird uns fehlen, doch wirklich tot ist ein Mensch erst dann, wenn er vergessen ist. Willis Persönlichkeit, sein Mut, seine Standhaftigkeit in schweren Zeiten, sein Wissen und seine Erfahrungen, die er in den vergangenen 25 Jahren an viele jüngere weitergegeben hat, machen ihn unvergessen. Hab Dank für all das, was Du für die Partei getan hast, lieber Willi, und laß uns Dir ein letztes Lebewohl zurufen.
 
H.-J. Weise

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