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Ehrung Karl und Rosa - Park Festhalle - 15.01.2017
»… Schlagt ihre Führer tot! Tötet Liebknecht! Dann werdet ihr Frieden, Arbeit und Brot haben. Die Frontsoldaten«, brüllte es von den Litfaßsäulen im Dezember 1918. Am 15. Januar 1919 fanden sich die Täter. Soldaten erschlugen Karl und Rosa. Aber es gab in der Folge weder Frieden noch Arbeit noch Brot.
Rosa eine Frau von 1,50 Meter, von Kind an von einem Hüftschaden geplagt, mit durch die Haft zerstörter Gesundheit wurde in einem Berliner Hotel gepeinigt. Mit nur einem Schuh zerrten sie ihre Mörder aus dem Hotel und schlugen mit dem Gewehrkolben auf sie ein. Anschließend wurde sie in ein Auto gestoßen und zu einem der großen Kanäle in der Berliner Innenstadt gefahren. Weil sie immer noch lebte, ermordete man sie mit einem Schuss in den Kopf, ihr Leib wurde mit Stacheldraht umwickelt und in den Kanal geworfen. Erst Ende Mai 1919 wurden die Reste ihrer Leiche gefunden. Zur Beerdigung am 13. Juni 1919 kamen Tausende Berliner. Dass sie so zu Tode kam, dass sich die Handlanger der Kriegstreiben so der konsequenten Friedenskämpfer Karl und Rosa entledigten, hat zu ihrer Verehrung geführt.
Deshalb versammeln sich an vielen Orten in diesen Tagen, Menschen, ihrer zu gedenken. Und sicher kennen die meisten Deutschen den Namen Rosa Luxemburg, sei es auch nur durch das Zitat das die Menge über ihren Köpfen trugen, um Freiheit dort zu fordern, wo sie sich unfrei fühlten.
Ob es der Kommunistin gefallen hätte? Der Kampf der Menschen gegen sie fesselnde Umstände war für Rosa immer von Bedeutung und sie sah in ihm gleichsam den Schmelztiegel in dem eine neue, gerechtere Gesellschaft entstehen konnte. „Mitten in der Geschichte“, schrieb sie, „mitten in der Entwicklung, mitten im Kampf lernen wir, wie wir kämpfen müssen.“
Aber schon einmal irrten sie und der Kampfgefährte an ihrer Seite. Als im Januar 1919 eine kleine Gruppe von Berliner Arbeitern zu den Waffen griff, standen natürlich Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg Schulter an Schulter mit ihnen in der ersten Reihe, obwohl zumindest diese kluge, politisch gebildete Frau, Marxistin zudem, wissen musste, dass der Kampf keinen Sieg versprach. Müde eines mörderischen Krieges, müde der Entbehrungen und nicht mehr bereit, die Söhne und Väter einer Kriegsmaschinerie zum Fraß zuzuwerfen, waren die braven Deutschen zwar, aber sie konnten oder wollten nicht erkennen, wo die Ursachen ihres Leides lagen. Sie waren nicht des Kapitalismus müde. Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, die gefeierten, mitreißenden Friedenskämpfer verstanden nicht, dass es den Arbeitern genug war, den Krieg zu beenden. Und die Arbeiter verstanden nicht, dass die Friedensfreunde Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht nun einen neuen Krieg führen wollten, den gegen den Kapitalismus. Die mögliche Niederlage vor Augen warf sich die wegen Majestätsbeleidigung, Anreizung zum Klassenhass, Ungehorsam gegen Gesetze und Anordnungen der Obrigkeit Angeklagte und für ein Jahr inhaftierte, in den Kampf mit den Aufständischen. Sie wusste sicher um die Gefahr für ihr Leben. Aber konnte sie anders ohne sich und die kleinen Leute zu verraten? Dies zeichnete sie aus, als Revolutionärin, sie scheute nicht vor den Konsequenzen ihres Handelns zurück. Wie also hätte sie sich gefühlt auf den Demonstrationen im Herbst des ersten deutschen Staates, der den Sozialismus erprobte? Ich wage keine Antwort, trotzdem ich lange darüber nachdachte. Aber über eines bin ich mir sicher geworden, jeder reißt heute, ohne lange nachzudenken ein Stück ihres Erbes an sich, verwertet was ihm nützlich scheint.
Weit entfernt sollten wir sein, Heilige auf einem Sockel zu verehren, zumal die, die sie einst auf den Sockel stellten von der lebenden Rosa nichts wissen wollten. Paul Levi, ihr Rechtsanwalt, der 1922, in seiner Einleitung zur „Russischen Revolution“, erklärte, warum für Rosa Luxemburg die Freiheit des Andersdenkenden so wichtig war, dieser Paul Levi, der nach Rosa Ermordung und nach der Ermordung ihres ersten Mannes, Leo Jogiches Vorsitzender der am 1. Januar 1919 gegründeten Kommunistischen Partei Deutschlands war, erlebte 1921 seinen Ausschluss aus der Partei.
Warum also diese Ehrung? Weil sie die meistgefürchteten Kriegsgegner in Deutschland waren, weil sie mit aller verfügbaren Kraft für den Frieden eintraten, weil sie deutlicher als andere die wahren Ursachen der Kriege aufdeckten. „Alle Völker sollen“ rief Luxemburg,“ ohne Unterschied der Rasse, der Sprache und des Glaubens in völligem Frieden und in Freundschaft miteinander leben und in der Erfüllung von Kulturaufgaben wetteifern. Wir geben uns natürlich nicht der Täuschung hin, dieses Ideal könne verwirklicht werden, solange der Kapitalismus noch besteht. Darin unterscheiden wir uns auch von den bürgerlichen Friedensfreunden, …damit, dass wir sagen, solange der Kapitalismus herrscht, sind Kriege unvermeidlich,
Ihr Mut, ihre Konsequenz im Kampf gegen den mörderischen 1. Weltkrieg kann für uns heute Beispiel sein, in einer Zeit, in der Krieg zu einem permanenten Zustand in der Welt geworden ist. Denn sie finden wieder statt, die gewöhnlichen, schmutzigen, heißen Kriege. Schon vor 1914 deutete sich die große Katastrophe an, gab es eine Vielzahl von Krisen, Konflikten und „lokalen“ Kriegen. Die Nationalisten zeigten so offen Flagge wie noch nie und an den Stammtischen fabulierte man „Jeder Schuss ein Ruß, jeder Stoß ein Franzos“ unter dem beifälligem Gelächter der braven Bürger. Und wie ist es heute? Ähnlich wie in der Zeit vor 1914 gibt es auch heute bedrohliche Krisen, Konflikte und regionale Kriege. Seit 1978 wütet in Afghanistan der Krieg, macht das einfache Leben, das sich Menschen wünschen zu etwas was fast unmöglich scheint. Zuerst ein Bürgerkrieg, den die Sowjetunion zum Anlass nahm ihren Machtbereich zu sichern, später wieder blindes Wüten der Menschen gegeneinander und seit 15 Jahren führen die USA und ihre Verbündeten unter denen sich auch Bundeswehr befindet die Kämpfe weiter. Dieses Menschenschlachten hat kein einziges Problem gelöst, nicht den ersehnten Frieden gebracht, sondern den Hass geboren. Die Kinder dieses Hasses sind die Terroristen und dies, so schlimm es ist, auch im wörtlichem Sinne. Die Geldgeber aber parlieren am warmen Pool, das erforderliche Ölgeld in der Tasche. Unrecht Gut gedeihet nicht. Noch nie war diese einfache Warnung so gegenwärtig und bedrohlich wie heute. Ungerechtfertigte Kriege haben eine Spirale der Gewalt ausgelöst, eine Spirale die sich jetzt ständig weiter dreht und nicht nur den sehr Nahen Osten bedroht. Der Irak war schon dran – zwei Mal. In Syrien sind noch Stellvertreter am Werk. Hauptsache Unruhe im Nahen Osten. Es gibt aber auch Kriege, die wir nicht einmal wahrnehmen. Für unsere Wegwerfkultur, für unser „Geiz ist geil“ Gehabe starben allein seit 1998 über 3 Millionen Menschen im Rohstoffkrieg im Kongo. China und Japan streiten wie die Kesselflicker um einige Inseln und ein Diktator in Nordkorea kann den Finger auf den Startknopf der Atomraketen legen.
Doch nicht genug, der überwunden geglaubte, kalte Krieg wird in neuer Form weiter geführt. Der wirtschaftliche Nebenbuhler wird bekämpft, längst sind die imperialen Konzerne über den Spruch „Konkurrenz belebt das Geschäft“ hinaus. Die Hauptkonkurrenten der alteingesessenen imperialistischen Mächte werden wie auch immer, an ihrer Entwicklung gehindert, militärisch eingekreist oder provoziert. Und diese nicht faul, schlagen zurück. Wirtschaftlich geht es rücksichtslos zur Sache. Die Propagandamaschinerien laufen heiß. Völlig neue Mittel und Methoden werden ersonnen, und sie bedrohen die Lebensgrundlage, das gesellschaftliche Sein von uns, den kleinen Leuten. Wir werden die Verlierer sein, der weltumgreifenden Kämpfen. Ja sie hatte Recht, die Luxemburg, der Kapitalismus kann sein Versprechen vom „dauerhaft unbegrenzten Wachstum“ nicht umsetzen, aber er muss es tun, bei der Strafe seines Unterganges, wie Marx analysierte. Und eine seiner Lösungen hieß immer Krieg. In einer Welt endlicher Rohstoffe, atomarer und fossiler Energievorräte werden die Verteilungskonflikte nicht ausbleiben, wir nehmen sie ja schon wahr.
Und die bösen Tanten dieser Krisen, welche die soziale Ungleichheit befördern stehen schon in den Türen, Intoleranz, Fundamentalismus, Gier und nationaler Egoismus nehmen im globalen Maßstab zu und im Zeichen der Krise sind auch in Europa rechtspopulistische Parteien auf dem Vormarsch. Die künftigen ökonomischen Krisen sind der Hebel, der die Welt aus den Angeln heben könnte.
Blauäugig glauben wir an den Frieden als Normalzustand und die Geschichtsbücher sprechen von Nachkriegszeit. Was aber die Bildschirme zeigen ist Zwischenkriegszeit. Nicht dauerhafter Frieden, sondern mörderische Kriege, Pogrome, Folter und Massaker waren und sind die Realität der Menschheitsgeschichte. Diesen Zustand zu überwinden und die Menschenrechte endlich durchzusetzen ist unsere Aufgabe.
Wie erinnert mich dies an Goethes Faust, in dem er biedere Bürger sprechen lässt:
Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen
Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
Wenn hinten, weit, in der Türkei,
Die Völker aufeinander schlagen.
Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus
Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;
Dann kehrt man abends froh nach Haus,
Und segnet Fried und Friedenszeiten.
Der zweite antwortet:
Herr Nachbar, ja! so laß ich's auch geschehn:
Sie mögen sich die Köpfe spalten,
Mag alles durcheinander gehn;
Doch nur zu Hause bleib's beim alten.
Ich befürchte, dass Zeitalter der Aufklärung liegt nicht hinter, sondern vor uns.
Ich weiß mittlerweile, wir sind nicht besser oder schlechter als Hutus und Tutsi, als Serben und Kroaten, als Iraker, Ukrainer, Syrer, Israelis und Iraner...
Wenn sich die rechten Häuptlinge finden, wenn die rechten Einflüsterer da sind, die Hetzer, fallen auch bei uns Christen über Moslems, Raucher über Nichtraucher oder Schwarzhaarige über Blonde her...
Ihr schüttelt den Kopf?
Hier ist nicht Zeit für eine lange Liste, aber so viel, in Dresden kümmert sich ein Verein um Obdachlose – aber nur deutsche. Auch andere Sozialvereine kooperieren mit den Flüchtlingsfeinden. Andersdenkende werden als "rote verlogene Stasi-Hexe"(Katja Kipping) diffamiert, der erkrankten Dresdener Oberbürgermeisterin Helma Orosz wünscht man: "Möge Sie der Krebs endlich holen". Noch nie haben sie gewagt ihr Haupt so hoch zu tragen, noch nie sind sie so weit aus ihrem dreckigen Schlamm gekrochen, diese Verführer und Verführten. Und noch nie mangelte es uns so an einem Gegenkonzept. Denn es ist ein weiterer Krieg, der uns im Atem hält, der der Paläste gegen die Hütten.
Es ist eine Zeit, in der alle fünf Sekunden ein kleines Kind an Hunger oder seinen Folgen stirbt und in der 843 Millionen Menschenvor Hunger taumeln. Die Linke fragte beim Bundessozialministerium an, wir erfahren seit der Einführung von Hartz IV im Jahr 2005 haben mindestens 14,5 Millionen Menschen in Deutschland mindestens einmal Hartz-Leistungen bezogen haben. Davon könnten rund zehn Millionen dieser Bezieher Geld verdienen, wenn es möglich wäre. Rund 4,4 Millionen Kinder unter 15 Jahren müssen mit Hartz IV-Leistungen auskommen.
Aber schließlich kosten die Kriege Geld.
Noch etwas fällt auf uns zurück. Die Menschen, deren Lebensgrundlage wir zerstören suchen Zuflucht in einem vermeintlich besseren Europa. Doch dort will man nur die von ihnen billig produzierten Waren, haben. Notgedrungen, zähneknirschend werden einige der Flüchtlinge aufgenommen aber auch gleichzeitig die passenden Stammtischparolen produziert: „Wer betrügt, der fliegt“
Wie gut, dass wir in Ilmenau ein Flüchtlingsnetzwerk haben.
Es gibt sie, die fliehen aus zerstörten Städten, in denen man nicht mehr leben kann, es gibt die, welche fliehen vor Folter, Gefängnis, Gewalt und es gibt die, die fliehen vor wirtschaftlicher Not, vor Armut, die ein besseres Leben für die ihren suchen. Sie nutzen ihr gutes Recht auf Freizügigkeit, und wer will Menschen vorwerfen, dass sie ihren persönlichen wirtschaftlichen Vorteil suchen. Wer will das vor allem in einem Landstrich tun, wo einst gerufen wurde, „kommt die D-Mark bleiben wir, kommt sie nicht gehen wir zu ihr“.
Die andere Seite sind aber die Folgen dieser Abwanderungen in den Herkunftsländern und -regionen. Dort geht teuer ausgebildete Kompetenz verloren, die diese Länder eigentlich für ihre Entwicklung brauchen. Ihre Armut wird so auf Dauer noch verschärft. Kompetenz und Intelligenz werden hingegen immer billiger – zum Nutzen weniger Länder und der großen Konzerne
Wer Verantwortung fühlt für eine Welt der Solidarität, der Menschlichkeit und des Friedens, muss sich gegen alle diese Entwicklungen stellen – wie Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht.
In Lateinamerika gibt es eine Sitte, bei der Ehrung von Gefallenen wird fragend der Name des Betreffenden genannt. Und alle Anwesenden antworten im Chor: „Presente!“ – „anwesend!“ In diesem Sinne wollen auch wir heute handeln: Rosa Luxemburg? Anwesend! Karl Liebknecht? Anwesend!
Danke für euer Kommen!