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Ehrung zum 75. Todestag von Karl Zink
Karl-Heinz Mitzschke
Verehrte Anwesende, liebe Freundinnen und Freunde, liebe Genossinnen und Genossen,
Wohl wenig Worte sind an diesem Ort zur Erinnerung an den Kommunisten, den Genossen Karl Zink noch nicht gesagt wurden, kaum jemand der hierstehenden, der die dürren Fakten und Daten eines so früh gebrochenen, geopferten Lebens nicht kennt, und trotzdem seid ihr gekommen.
Und das ist gut so und das ist wichtig, weil wir uns wieder und wieder der dunklen Tage in Deutschland erinnern müssen, weil wir dies brauchen, um zu widerstehen.
Ein junger Mensch war Karl Zink, gerade einmal 30 Jahre alt und 9 Jahre in der Kommunistischen Partei organisiert, als er in Plötzensee hingestreckt wurde. Aber er hatte einen tiefen Glauben, daran, dass es möglich sei, das der Mensch dem Menschen Bruder werden könne, wie anders hätte er sonst die Kraft gefunden nach der Verurteilung wegen Hochverrates 1935 und der zweijährigen Zuchthausstrafe weiter zu kämpfen, wohl wissend was ihm geschehen könnte?
Das kann nur jemand, der zutiefst überzeugt ist von seinen Idealen, das kann nur jemand, der sich selbst hintenanstellt der Sache wegen.
Dies ist das erste welches wir aus unserem Gedenken annehmen sollten, diesen Glauben an eine Gesellschaft der Brüderlichkeit, der Gerechtigkeit, diesen Glauben, der die Menschheit umtreibt seit Jahrhunderten, verbunden mit der Hoffnung, dass es gelingt, ihn auch zu verwirklichen.
Erinnern, um zu widerstehen, das heißt auch den Versuchen Einhalt zu gebieten, hilfebedürftigen Menschen, schutzsuchenden Menschen die Tür zu weisen, im kleinlichen, kleinbürgerlichen Denken Gründe zu finden die einen von den anderen zu trennen, den Rentner, den Empfänger von staatlichen Zuwendungen, die man Aufstocker oder Hartzer nennt, von den Asylsuchenden, den politischen Flüchtling von dem, der bitterster Armut entflieht.
Einen auszuspielen gegen den anderen, dies ist es, was rechte Kräfte versuchen, dies ist es, worauf sie zielen, den Rechtlosen, den Unterdrückten, gegen den Rechtlosen aufzubringen, und so die Macht zu erlangen, unheilvoll für alle.
Und am Rande stehen die, die Beifall klatschen, der Rentner, der nicht begreift, das der Flüchtling nicht daran schuld ist das er in Armut lebt, der Vater, der seine Kinder liebt und ihn alles Gute wünscht, nicht aber denen der Fremden, alle die, die nicht begreifen, es gibt kein Glück für uns allein. Hätte Karl Zink dieses gesucht oder daran geglaubt, er hätte sich nicht nochmals in Gefahr begeben. Er tat es.
Wir können es groß sagen, soll heißen: dieses Thema gehört in den Blickpunkt gesellschaftlicher Debatten. Soll heißen: unser Anspruch ist es, gesellschaftlich zu sensibilisieren und Widerstand zu wecken: gegen Neofaschismus, Antisemitismus und Rassismus, aber auch gegen unglaubliches Behördenversagen im Zusammenhang mit der Mordserie der NSU.
Wir können es aber auch klein sagen: Wir müssen uns menschlich verhalten. Der Mensch sei dem Menschen Bruder oder Schwester und nicht ein Wolf. Und wir müssen den Schafspelz entfernen, mit dem der Wolf sich bedeckt, der Schafspelz, der heißt, das eigene Volk zuerst, der heißt mehr Rente für die Oma statt für Sinti und Roma, der heißt Maria statt Scharia.
Dies ist die eine Botschaft dieses Tages.
Jedoch es gibt eine zweite.
So wie es kein Glück für uns allein gibt, so kann ein Einzelner, so kann keine Gruppe, sei sie noch so groß, eine Veränderung bewirken. Nur gemeinsam sind wir stark und nur gemeinsam können wir erreichen, dass das, wovon auch Karl Zink, träumte zur Wirklichkeit wird.
1933 entstand eine Situation, in der Kommunisten und Sozialdemokraten nicht mehr gemeinsam handeln wollten, zu viel Porzellan war in den vergangenen Jahren zerschlagen worden war, um jetzt zu Aktionen schreiten zu können. Eine bittere Erkenntnis. Und die Folge ? Unmittelbar nach der Machtübergabe an Hitler und deren deutschnationale Partner in der Regierung, organisierten die Nazis eine groß angelegte politische Mordhetze gegen ihre politischen Gegner. Es kam zu zahlreichen SA-Überfällen auf Arbeiterlokale, Arbeitersportstätten und Laubenkolonien; Funktionäre der KPD, der SPD und der Gewerkschaften wurden zum Teil aus ihren Wohnungen verschleppt und in den schnell eingerichteten »Folterhöhlen« in SA-Heimen und –Lokalen gedemütigt und schwer misshandelt. Für Kommunisten, Sozialdemokraten und Gewerkschafter sowie für die Angehörigen aller anderen Organisationen der Arbeiterbewegung begann die schwerste und opferreichste Kampfperiode ihres Bestehens. Und in solch einer Zeit trat der junge Karl Zink der KPD bei.
Der Kampf von Karl Zink die furchtbare, braune Diktatur zu verhindern war zum Scheitern verurteilt, die deutsche Arbeiterbewegung konnte das Unheil nicht aufhalten, weil sich die Gutwilligen nicht zusammen fanden. Weil sich die beiden großen Parteien der deutschen Arbeiterbewegung in einen Zustand der Selbstblockade und Lähmung manövriert hatten, in dem der Hitlerfaschismus ohne nennenswerten Widerstand an die Macht gelangen konnte. Weil sie sich gegenseitig benannten: Sozialfaschisten hießen die einen oder rotlackierte Faschisten die anderen. Und trotzdem war Zinks Kampf, sein Opfer richtig. Es zeigte, selbst auf aussichtslosem Posten darf Unrecht nicht hingenommen werden, die Ausrede, wir können ja doch nichts ändern die auch heute so vielen leicht von der Zunge geht, das Verstecken hinter Mehrheiten, das bedenkenlose Mitlaufen, hat mehr als einmal die gesellschaftlichen Katastrophen befördert. Es gibt nichts Gutes, außer man tut es, sagte Kästner, den die Gestapo mehrfach in ihren Klauen hatte, man kann aber auch sagen: Nichts tun ist nicht gut! Karl Zink hat etwas getan! Das soll uns Antrieb sein, dass sind wir seinem so jung geopferten Leben schuldig.