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Vor 20 Jahren – Lehrstunden in Sachen Geschichte

Mit Emil Carlebach war 1994 einer der „Väter“ der hessischen Landesverfassung und Opfer politischer Verfolgung zu Gast in Ilmenau, rechts Kreisvorsitzender Eckhard Bauerschmidt. Kurt Julius Goldstein gehörte zu den wenigen kommunistischen Widerstandskämpfern, die auch nach 1990 öffentliche Ehrungen erfuhren Das gegen Jupp Angenforth verhängte Zuchthausurteil führte selbst im Bundestag zu heftiger Kritik an der Politik der Regierung Adenauer

Eine dieser Lehrstunden lag bereits 2014 insgesamt 20 Jahre zurück, die beiden anderen werden 2016 folgen. So ist es wohl nicht falsch, sich zur Erinnerung daran angesichts im wesentlichen gleicher Schicksale der Betroffenen für die Mitte zwischen beiden Jahren zu entscheiden:

Am 21. Februar 1994 weilte mit Emil Carlebach (10.07.1914 – 09.04.2001) einer der „Väter“ der hessischen Landesverfassung auf Einladung der damaligen PDS zu einem Gesprächsabend in der „Alten Försterei“. Mit ihm war ein Mann zu Gast, der eine ganze Menge von dem durchmachen musste, was das Leben an Fährnissen Menschen aufbürden kann: Im „Dritten Reich“ schon 1934 wegen der Verbreitung antifaschistischer Schriften zu drei Jahren Gefängnis verurteilt, war er nach der Entlassung zunächst in das KZ Dachau und 1938 in das KZ Buchenwald verschleppt worden, wo er der illegalen Widerstandsorganisation angehörte. Nach der Befreiung war er Stadtverordneter in Frankfurt/Main, Mitglied des hessischen Landtags, als solches an der Ausarbeitung der Landesverfassung beteiligt und zudem einer der Lizenzträger der „Frankfurter Rundschau“ sowie Vizepräsident des Internationalen Buchenwald-Komitees. Auf Befehl des US-amerikanischen Militärgouverneurs General Lucius D. Clay  wurde der jüdische Kommunist Carlebach bereits 1947 aus der Redaktion der „Frankfurter Rundschau“ entfernt und nach dem KPD-Verbot wegen illegaler Tätigkeit für die Partei strafrechtlich verfolgt. Deshalb in die DDR emigriert kehrte er 1969 zurück und betätigte sich bis zu seinem Tode aktiv in der DKP, der VVN-BdA und der Deutschen Journalisten-Union.

Die einzige Ehrung, die ihm in der BRD zuteil wurde, war die Auszeichnung mit der von der Stadt Frankfurt/Main an antifaschistische Widerstandskämpfer verliehenen Johanna-Kirchner-Medaille1.

Anfang 1996 war Kurt Julius Goldstein (03.11.1914 – 24.09.2007) im damaligen Klub der Volkssolidarität im Haus für ältere Bürger in der Hanns-Eisler-Straße ein vielgefragter Gesprächspartner. Der aus einer jüdischen Familie stammende Kommunist hatte bereits in seiner Schulzeit mit antisemitischen Ausfällen und Schikanen Bekanntschaft machen müssen, emigrierte 1933 über Luxemburg nach Frankreich und von dort nach Palästina. Er kämpfte in den Internationalen Brigaden auf der Seite der Spanischen Republik, wurde nach dem Sieg der Franco-Faschisten in den berüchtigten französischen Lagern Saint-Cyprien, Gurs und Le Vernet interniert. Von der Vichy-Regierung ausgeliefert wurde er in das KZ Auschwitz verschleppt. Die Befreiung erlebte er nach überstandenem Todesmarsch im KZ Buchenwald. Nach der Rückkehr in seine Heimatstadt Dortmund übernahm er als Nachfolger des Widerstandskämpfers Helmut Heins die Leitung des Zentralbüros der am 9. Dezember 1945 gegründeten FDJ in  der späteren BRD. Mit Beginn der politischen Verfolgung des Jugendverbandes emigrierte er in die DDR, wurde Intendant von „Deutschlandsender“ bzw. „Stimme der DDR“, zudem Vizepräsident des Internationalen Auschwitz-Komitees, Sekretär der Internationalen Föderation der Widerstandskämpfer (FIR) und ab 1994 Ehrenvorsitzender der IVVdN. Kurt Julius Goldstein war einer der wenigen Widerstandskämpfer, die auch in den Jahren ab 1990 staatliche Ehrungen erfuhren. Er war zudem der erste Kommunist nach 1989, dessen Name einem öffentlichen Ort verliehen wurde: Seit dem 11. April 2010, dem 65. Jahrestag der Befreiung des KZ Buchenwald, gibt es in Berlin-Hellersdorf den „Kurt-Julius-Goldstein-Park“.

Am 23. September 1996 war Josef (genannt Jupp) Angenfort (09.01.1924 – 13.03.2010) im gleichen und sehr stark besuchten Klub zu Gast. In der Kriegsgefangenschaft hatten nach seinen Worten zahlreiche Gespräche mit deutschen Antifaschisten und sowjetischen Soldaten den Beginn eines Prozesses „der Erkenntnis“ bewirkt, worauf er sich dem Nationalkomitee Freies Deutschland (NKFD) anschloss. Nach der Rückkehr in seine Heimatstadt Düsseldorf wurde er Mitglied und sodann Leiter des Zentralbüros der FDJ in der BRD sowie 1951 für die KPD jüngster Abgeordneter des nordrhein-westfälischen Landtags. Am 24. April 1951 verbot die Regierung Adenauer die von prominenten kirchlichen Persönlichkeiten wie Pastor Martin Niemöller, Pfarrer Herbert Mochalski und Pastor Johannes Oberhof, vielen Mitgliedern der SPD und des DGB sowie von KPD und FDJ mitgetragene Volksbefragung gegen Remilitarisierung, der am 26. Juni das (allerdings erst 1954 für „dauernd rechtskräftig“ erklärte) Verbo  t des Jugendverbandes folgte. Unter bewusster Missachtung seiner Immunität als Landtagsabgeordneter wurde er 1953 durch die Sicherungsgruppe Bonn des Bundeskriminalamtes verhaftet, vor dem Bundesgerichtshof wegen „Hochverrats“ angeklagt und zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt. Es war nicht nur das erste politische Zuchthausurteil in der Geschichte der BRD, es handelte sich auch um das höchste Strafmaß, das in jener Zeit gegen einen Kommunisten verhängt wurde. Diese Tatsache führte selbst im Bundestag zu heftigen Auseinandersetzungen. So klagte mit Walter Menzel der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion die Politik der Regierung Adenauer an: „Vergleicht man dieses Urteil mit den milden Urteilen gegen Kopfjäger aus den hitlerschen KZs, gegen viehische Mörder, die nachträglich noch begnadigt werden, dann ist man empört darüber, dass Menschen vor dem Richterstuhl so behandelt werden. Wir sind in Westdeutschland wieder soweit, dass alle Gegner des Bundeskan  zlers als Bolschewisten oder des Hochverrats angeklagt werden.“ Die 1957 durch Bundespräsident Theodor Heuss (FDP) ausgesprochene Begnadigung wurde durch dessen Nachfolger Heinrich Lübke (CDU) aufgehoben, weshalb 1962 die erneute Verhaftung erfolgte. Als ihm während eines Gefangenentransports die Flucht gelang, tauchte er zunächst unter und emigrierte dann in die DDR. Nach Konstituierung der DKP reiste er mehrfach zu deren Parteiveranstaltungen in die BRD, wurde im März 1969 ein drittes Mal verhaftet, auf Grund heftiger Proteste gegen das Vorgehen der dortigen Strafverfolgungsbehörden am 25. April schließlich wieder auf freien Fuß gesetzt. Nach seiner endgültigen Rückkehr war er Mitglied des Präsidiums der DKP, nordrhein-westfälischer Landesvorsitzender der VVN-BdA bzw. Landessprecher und Mitglied des Bundesausschusses. Sein letzter Wunsch „Wenn doch endlich einer käme und sagte, Junge, wir haben Dir Unrecht getan.“ ging bis heute nicht in Erfüllung.

Die Schicksale dieser und anderer Persönlichkeiten sind übrigens auch im INTERNET-Lexikon WIKIPEDIA nachzulesen.

H.-J. Weise

 

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